Medizinische Versorgung von Binnenflüchtlingen

Auch wenn 2011 alles begann, richtig spürbar, auf breiter Ebene, wurde es 2012. Im Jahr 2012 brach für viele Syrerinnen und Syrer die Welt zusammen. Unter den vielen Menschen in den nicht enden wollenden innersyrischen Fluchtbewegungen waren natürlich auch viele Kranke, oft Verletzte als Folge von Querschlägern (so hatten wir in dieser Zeit eine Operationen zweier Zwillingsschwestern, die zusammen von einer einzigen solchen irrgeleiteten Kugel getroffen wurden), genauso oft aber auch ganz normale Krankheiten, die in jeder Zivilgesellschaft auftreten. Und all diese Kranke brauchten Hilfe!

Also nahmen wir uns ihnen an, so gut wir es konnten und in dem Maß, in dem wir finanziell in der Lage waren. Das aber war oft nicht verhandelbar, denn vor allem in den ersten Jahren war es oft eine Frage von Leben und Tod: oft standen die zu Behandelnden schon vor den Toren der Klinik als wir von ihrer Notlage erfuhren. Halfen wir ihnen, hieß das, sie durchschritten die Tore und wurden behandelt, operiert, geheilt. Halfen wir ihnen nicht, hieß es, sie konnten nicht ins Krankenhaus, erfuhren keine Behandlung, konnten sterben. Keine leichte Entscheidung. Überhaupt keine leichte Entscheidung!

Wir haben eigentlich nie „Nein“ gesagt in diesen Jahren. Die Not war zu groß! Oft waren wir sogar persönlich bei den Patienten, gingen mit ihnen zum Arzt, haben ihren Heilungsprozess gesehen und haben manche in den Tod begleitet. So beispielsweise bei manchem chronisch Kranken, der sich die Therapie mit teuren Medikamenten nicht leisten konnte. Nicht bei jedem schlug diese Therapie an. War es dann falsch, das Geld ausgegeben zu haben für teure Medikamente, wenn der Patient doch verstarb?

Besonders schwierig war es mit den Schwangeren – kaum waren sie aus den Kampfgebieten raus setzten die Wehen ein, urplötzlich. Als ob ihr Körper sich vorher gegen die Geburt gestemmt hatte und das Neugeborene erst freigeben wollte, wenn sie in Sicherheit waren. Auch Herzinfarkte, Krebskranke und Frühgeburten waren unter den Fällen; Hunderte Geburten haben wir bezahlt, Kosten für Prothesen, Intensivstation, Brutkästen, Zahnbehandlungen, Operationen, uvm. bis zu Hörgeräten oder Brillen haben wir übernommen.

Ab 2016 mussten wir beginnen, diese Ausgaben zu reduzieren: die Kosten explodierten, viele Medikamente waren nicht verfügbar, manche Krankheiten waren einfach nicht mehr zu heilen. Und doch lebt auch dieses Projekt weiter, auch heute noch tragen wir Kosten für vielfache medizinische Betreuung, begleiten Kranke zum Arzt und helfen wo wir können.

Ein eindringliches Erlebnis (unter vielen eindringlichen Erlebnissen) in diesem seit 2012 bestehendem Projekt hatten wir vor einigen Wochen. Eine Mutter hatte sich bei uns gemeldet und ein Foto geschickt von ihrer 5jährigen Tochter. Das Mädchen hatte an diesem Tag Geburtstag: Vor 5 Jahren wurde es im Säuglingsalter am Herzen operiert, ohne diese OP wäre es gestorben. Obwohl diese Operation teuer war und es uns damals nicht leicht fiel das zu bezahlen hatten wir die Kosten übernommen.

In Momenten wie diesen wird alles andere unwichtig. Und man weiß genau: Es war gut, „Ja“ zu sagen!

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