Beirut | Eine Mammutaufgabe: Schulbetrieb trotz Armut und Corona

Unsere Schule für syrische Flüchtlingskinder in Beirut steht aufgrund der Umstände im Libanon schon seit Jahren vor gewaltigen Problemen – immer wieder ist es beeindruckend zu sehen wie Schulleitung und Lehrerkollegium, aber auch die Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern sich diesen Problemen stellen und sich oft aufreiben um diese Chance auf Zukunft durch Schulbildung zu geben bzw. zu nutzen. Die Folgen der Explosion im Beiruter Hafen Anfang August im Zusammenspiel mit der grassierenden Armut der syrischen Familien und dem omnipräsenten Covid-19-Virus aber bedeuten, dass diese sowieso schon schwere Aufgabe zu einer Mammutaufgabe geworden ist.

Viele Eltern geraten in Zweifel, ob sie sich die zwar extrem geringen aber eben doch vorhandenen Kosten für die Bildung ihrer Kinder überhaupt noch leisten können, wenn alle abends hungrig ins Bett gehen. Leider entscheiden sich manche dazu, ihre Kinder von der Schule abzumelden und diese stattdessen für minimalste Löhne zur Arbeit zu schicken. Diese Kinder sind oft verloren für uns, wir erreichen sie nicht mehr; sie gehen unter im Moloch einer Großstadt und werden vermutlich nie wieder eine Schule von innen sehen.

Aber auch die Lehrerinnen und Lehrer kämpfen, auch sie haben Familie die ernährt werden will. Auch sie kämpfen gegen den omnipräsenten Mangel an Strom, Internet, Fortbildung und Finanzierung. Um den gebotenen Online-Unterricht umsetzen zu können hat sich die Schulleitung schon im Sommer massiv bemüht, alles dafür zu tun um das Lehrerkollegium fortzubilden und unterschiedlichste Kurse im Bereich Online-Unterricht angeboten. Seit Anfang September hat jede Lehrerin, hat jeder Lehrer innerhalb der Schule einen eigenen Arbeitsplatz mit sicherem Stromanschluss und stabiler Internetverbindung um von dort aus Online-Unterricht vorzubereiten und zu halten; es besteht ein intensiver Austausch untereinander und mit den Schülerinnen und Schülern, wovon auch die Verfügbarkeit steigt, für Fragen und Probleme erreichbar zu sein.

Denn allzu viele Schülerinnen und Schüler verfügen mangels Internetanschluss oder kompatiblen Endgeräten erst gar nicht über die Möglichkeit, am Online-Unterricht teilzunehmen. Oder sie verstehen die Technik schlichtweg nicht. Für all diese Kinder haben wir kleine Lerngruppen eingerichtet, die „coronakonform“ Unterricht erhalten und so trotz aller Widrigkeiten lernen können und somit auch den Verbindungsfaden zur Schule nicht abreißen lassen. Dadurch ist es gelungen, viele der Schülerinnen und Schüler, die kurz davor waren die Schule zu verlassen, auch weiterhin an die Schule zu binden – und sie so vor Kinderarbeit zu schützen.

Es ist eine Mammutaufgabe, aber wir sind sehr dankbar, dass wir uns dieser Aufgabe stellen dürfen! Wir können zwar keine verlorene Generation retten, aber jedes einzelne Kind dieser Generation ist es wert, gerettet zu werden!!

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